Übermorgen starten die 60. Internationalen Filmfestspiele Berlin oder auch kurz die Berlinale. Morgen schon werden wir einen ersten Blick auf das werfen, was uns dann innerhalb der nächsten 10 Tage erwartet. Außerdem schicken wir einen von uns, Elmar, nach Berlin. Nachdem er allerdings versäumt hat sich fristgerecht zu akkreditieren, dürfen wir durchaus gespannt sein, was er uns mitbringen wird.
Und jetze?
Noch sind wir aber nicht so weit, deswegen schauen wir, was momentan in den Kinos läuft. Unter anderem sind dabei: Ein Film, der zwar in den USA spielt, aber aus Deutschland stammt. Ein Film, der sich in hohen amerikanischen Lüften abspielt, aber alles andere als heiße Luft ist (die oben ohnehin alles andere als wohltemperiert ist. Mehr dazu in der unten am Boden dieses Eintrags sich befindlichen kleinen Rezenzion.
Und früher?
Früher war alles blöder. Didi blödelte als Doppelgänger oder versuchte sich an einer blödelnden Neuinterpretation von "Kind Hearts and Coronets", den Lili immer noch in ihrem Besitz hält.
Dass man aber auch blödeln und rocken kann, zeigt unser Film des Abends, den Richard vorstellen möchte: Party on! mit den Worten Waynes zu sprechen.
Der Soundtrack des Abends kommt nicht von diesem Film, den wir schenken euch gerne mehr: Einen musikalischen Einblick in die Familie der "Royal Tenenbaums".
Jetzt aber steigen wir
Up in the Air (2009)
Regie: Jason Reitman
Drehbuch: Jason Reitman, Sheldon Turner – nach einem Roman von Walter Kirn
Cast: George Clooney – Ryan Bingham
Vera Farmiga – Alex Goran
Anna Kendrick – Natalie Keener
Jason Bateman – Craig Gregory
u. a. J. K. Simmons, Danny McBride, Zack Galifianakis
Story: Die Welt ist im Wandel – und die Bewegungsrichtung eindeutig abwärts. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ist Globalisierung schon lange keine positive Zukunftsvignette mehr: Mehr und mehr Unternehmen, kleine wie große, müssen Stellen abbauen um der allgemeinen Rezession Tribut zu zollen oder gehen unter. Die Wirtschaft bietet keine Chancen mehr. Dass dies nur eine Sache der Perspektive ist, beweisen Menschen wie Ryan Bingham (George Clooney). Er arbeitet in einem florierenden Geschäft – die Krise ist sein täglich Brot. Ryan Bingham arbeitet nämlich in einem Unternehmen, das als Dienstleister für andere Unternehmen fungiert, die Stellen abbauen, sprich Leute feuern müssen, sich selber aber nicht trauen, diese Kunde zu verbreiten. Wobei der Begriff „feuern“ auch nicht im Portfolio von Ryan Bingham, geschweige dem seines Arbeitgebers in Person von Craig Gregory (Jason Bateman – ein alter Bekannter aus „Juno“, dem Drehbuch-Oscar-Gewinner von 2007).
Vielmehr verkaufen Leute wie Ryan Bingham die schlechte Nachricht als Chance für einen Neustart. Und Bingham ist nicht nur ein alter Hund in diesem gewissenlosen Business, er ist auch einer der Besten. Seinem Job geschuldet ist auch der Umstand, dass er einen Großteil seines Lebens (322 von 365 Tagen pro Jahr) irgendwo zwischen Hotels, Flughäfen und in der Luft verbringt, von einem Kündigungsverkaufsgespräch zum nächsten pendelnd. Und er liebt sein Leben in der Einsamkeit mit dem einen großen Ziel, die Vielfliegergrenze von 10 Millionen Flugmeilen zu knacken, was vor ihm nur sechs anderen Menschen gelungen ist, also weniger Leuten als Menschen auf dem Mond spazierten, was er voller Stolz einer jungen Kollegin verkündet.
Eben diese junge Kollegin namens Natalie Keener (Anna Kendrick – sie könnte die jüngere Schwester von Tom Cruise sein, was durchweg positiv gemeint ist!) stellt sich diesem Traum in den Weg, wenngleich auch nicht willentlich. Die Flugtickets, die Spesen, der Arbeitsaufwand – alles Unsummen verschlingende Faktoren. Auch wenn man am Elend der Anderen gutes Geld verdient, man möchte doch wirtschaftlich arbeiten. Also sollen zukünftig die Chancenofferierungsgespräche via Internetkamera-Verbindung geführt werden. Die aus Sicht der Karrieristin lästigen Flüge wären somit überflüssig und somit auch die Meilen-fressenden Flüge.
Ehe es aber zum Einsatz des neuen Systems kommt, erwirkt Bingham bei seinem Chef, dass Natalie Keener zuerst bei ihm lernen soll, wie diese schwierigen Gespräche im analogen Leben funktionieren, also nimmt er sie mit auf seine Reisen. Auf einer dieser Reisen lernt er Alex Goran (Vera Farmiga) kennen, eine seelenverwandte Vielfliegerin, wenn auch nur auf dem Inlandsflugsektor. Bei ihren kurzen gemeinsamen Zeitfenstertreffen kommen sie sich allmählich näher. Näher als es Ryan, der immer aus leichtem Gepäck lebte (und auf dieser Philosophie basierend Ego-Coachings abhält), es sich eigentlich zugestehen will.
Jeder in dieser Geschichte erhält seine Lektion in Sachen Liebe und Beziehung zu seinen Mitmenschen: Sei es Ryan, der doch nicht der einsame Wolf ist, für den er sich immer gehalten hat; sei es Natalie, die ihren persönlichen Traum vom kleinen Glück hatte und in schicksalhafter Ironie von ihrem Freund per SMS abserviert wird; seien es all die vielen Menschen, die ihren Job verlieren, die ihrer Existenzgrundlage entzogen werden, nachdem sie Jahr um Jahr, Jahrzehnte gar sich eingebracht haben für ihr Unternehmen und nun behandelt wie Arbeitsvieh zur Schlachtbank geführt werden. Am Ende geht es um das Leben miteinander und nicht aneinander vorbei.
Ryan lernt seine schmerzhafte Lektion, und das gibt Hoffnung.
Jason Reitman, Jahrgang 1977, hat noch nicht so viele Filme auf seinem Kerbholz. Aber die Filme, die er gemacht hat, haben enormen Eindruck hinterlassen. Sei es, wenn er sich der Tabak-Lobby in seinem satirischen „Thank you for smoking“ (2005) annimmt, oder im sensiblen Porträt „Juno“ (2007) die Innenwelt einer 16-jährigen Schwangeren ausleuchtet. Sein Zugang ist der des Humors. Ein Vorbild mag er in der eigenen Familie haben, im Vater Ivan Reitman, der seine eigene Filmgeschichte mit Klassikern wie „Meatballs“ oder „Ghostbusters“ geschrieben hat.
Humor ist für Jason Reitman nicht bloß Mittel zum Zweck. Mittels Humor wird auch das Schwierige ertragbar. In „Up in the Air“ ist ihm dies einmal mehr gelungen, was auch die Nominierungen für die kommende Oscar-Verleihung bezeugen. Letzterer Hinweis soll allerdings nicht alleiniger Ansporn sein, sich den Film vorab anzuschauen. Überzeugende Darsteller in einem überzeugend inszenierten Film nach inspirierendem Skript – was will der Kinogänger mehr?!
Den Film gibt es im Cineplex zu sehen. Wer der deutschen Sprache hingegen nicht so mächtig ist oder grundsätzlich das Original der synchronisierten Fassung vorzieht, dem sei das Apollo ans Gehör gelegt.
Elman Smithee - 9. Feb, 13:37